Nouhou (Noah) Manneh – Mediator seit 2020
Erfahrungsbericht Nouhou (Noah) Manneh
MiMi-Mediator seit 2020
„Das Interesse der Männer und Frauen an den Informationen und ihre Gespräche darüber, dass sie viel aufmerksamer mit ihren Kindern umgehen wollen, hat mich wirklich sehr berührt.“
Mein Geburtsland ist die Elfenbeinküste, meine Eltern stammen aus Gambia. Seit über zehn Jahren lebe ich in Deutschland. Ich habe hier studiert und schreibe derzeit an meiner Dissertation.
Ich habe 2020 an der ersten Schulung MiMi-Reha Kids in Hamburg teilgenommen und muss zugeben, dass mein Wissen in Gesundheitsfragen und Gesundheitssystemen sehr gering war. Durch dieses Projekt konnte ich viel über die chronischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen lernen und mir wurde klar, dass bestimmte Anzeichen, die bei Kindern und Jugendlichen auftreten, Symptome von chronischen Erkrankungen darstellen, die behandelt werden müssen. Und mir wurde klar, dass es auch in meinem Umfeld Kinder mit chronischen Erkrankungen gibt.
Ich bin sehr aktiv in einer Moschee in Hamburg. Dort haben über einige Stockwerke verteilt Communities aus Gambia, der Elfenbeinküste, Guinea-Conakry, Mali, Niger und Burkina-Faso mit Gebetsräumen ihre eigenen Moscheen und treffen sich. Ich beherrsche mehrere lokale Sprachen, dazu auch Deutsch, Englisch und Französisch. Wenn ich eine Sprache nicht spreche, habe ich die Infoveranstaltung auf Französisch, der Amtssprache dieser Länder, gemacht.
Infoveranstaltungen in Moscheen
Die Moscheen waren sehr günstige Orte für die Organisation der Veranstaltungen. Hier sind perfekte Räumlichkeiten mit Sitzmöglichkeiten und viel Platz für eine Präsentation mit dem Beamer und es gibt eine ruhige Atmosphäre für Gespräche. Bei meinen Infoveranstaltungen in den verschiedenen Communities wurde ich von den Imamen und deren Teams sehr unterstützt. Zum Beispiel hat der Imam Adama Sylla von der Community Elfenbeinküste das Freitagsgebet genutzt, um alle Teilnehmenden zu meiner Infoveranstaltung einzuladen. Daher waren meine Veranstaltungen immer sehr gut besucht.
Im Laufe meiner Infoveranstaltungen habe ich gemerkt, dass ich nicht der Einzige bin, der diese Krankheiten bei Kindern nicht kannte oder nicht wusste, dass es eine Behandlung in einer Klinik gibt. Die Menschen aus unseren Communities sind nicht informiert.
Alle im MiMi-Programm vorgestellten Krankheiten waren für viele Teilnehmer normal. Sie haben gedacht, dass das eben so ist und dass man das hinnehmen muss. Nach meinen ersten Infoveranstaltungen haben viele Teilnehmer angefangen nachzudenken und erst später verstanden, worum es geht. Dann hat es sich in den Moscheen herumgesprochen, dass ich diese Infoveranstaltungen mache und die Communities haben mich eingeladen.
Infoveranstaltungen mit Männern
Die meisten Infoveranstaltungen habe ich für Männer gemacht. Imame und Lehrer waren sehr motiviert und haben die Männer für meine Veranstaltungen mobilisiert, überhaupt ihr Interesse geweckt und sie waren meistens dabei. Das war sehr wichtig, weil die Lehrer und die Imame großen Einfluss haben.
„Diese Krankheiten sind uns unbekannt und wir wussten nichts. Wer hatte jemals Informationen über diese chronischen Krankheiten von Kindern? Niemand, also bleiben Sie bitte dran und machen Sie sich Notizen.“
Imam Idrissa Yaro, Moschee Rawda, Borgfelder Straße, Hamburg
Infoveranstaltungen mit Frauen
Frauen, die sich in den meisten Familien intensiver um die Gesundheit der Kinder kümmern, waren über chronische Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen und die Behandlungen in einer medizinischen Reha Klinik auch kaum oder gar nicht informiert. Sie waren sogar überrascht zu erfahren, dass diese chronischen Krankheiten den Fortschritt von Kindern in der Schule verlangsamen können.
Das Thema psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen hat in den meisten Infoveranstaltungen, ob mit den Männern oder mit den Frauen zu ernsten Gesprächen geführt. Eltern erleben ja, dass ihre kleineren und größeren Kinder manchmal nicht mit ihnen reden wollen oder nach der Schule rumsitzen und den Kopf hängen lassen oder gar nicht in die Schule gehen wollen. Dass auch Kinder Depressionen oder Angststörungen haben können und dann Hilfe bekommen können, war vielen nicht klar. Die Infoveranstaltungen haben vieles angestoßen.
Eine der Frauen sagte nach der Präsentation zu mir:
„Wir freuen uns sehr, informiert zu werden. Wir werden uns fortan nach Kräften bemühen und immer mit den Kindern sprechen und sie fragen wie es ihnen geht, wie es in der Schule war.“
Antragscoaching
Ich habe auch Familien geholfen, die einen Reha-Antrag für ihre Kinder stellen wollten. Die meisten Kinder hatten Probleme mit ihrer Sprachentwicklung. Wir haben uns oft mehrere Male getroffen. Meistens hatten die Kinder noch einige Arzttermine vor sich, damit eine Diagnose gestellt werden konnte. Man muss zum Beispiel sicher sein, dass die Kinder keine Probleme mit dem Hören haben. Wir haben auch versucht, die Erziehungszeiten bei der Deutschen Rentenversicherung anrechnen zu lassen. Das dauert dann einfach länger. Ich bin sehr gespannt, wie es den Kindern nach der Reha geht.
„Ich habe selbst vier Kinder und weiß, wie wichtig ihre Gesundheit ist, damit sie gut lernen und aufwachsen können. Deshalb habe ich die Frauen, Kinder und Jugendlichen zusammengerufen.“
Adama Diarrassouba, Organisationsteam Moschee Borgfelder Straße
Infoveranstaltungen im Park
Ich habe auch Infoveranstaltungen draußen gemacht. Die Präsentation zum Beispiel im Hammerpark erfolgte auf Einladung der Moschee Borgfelder Straße und anderer Gemeinden aus anderen afrikanischen Ländern. Dieses Treffen findet jeden Sommer unter massiver Beteiligung muslimischer und christlicher Frauen statt. 35 Menschen haben teilgenommen. Überhaupt lockert es die Atmosphäre auf, wenn es etwas zu essen gibt. Die Leute sind entspannter.
Es war eine Gelegenheit für mich, sehr verschiedenen Gemeinschaften zu erreichen, indem ich sie über chronische Krankheiten informierte, die den Fortschritt von Kindern in der Schule behindern können. Broschüren und Flyer wurden verteilt, Fotos gemacht, um die guten Erinnerungen festzuhalten.
„Wir leben schon so lange in Deutschland und wissen so wenig. Es ist unsere Pflicht, unsere Menschen über chronische Erkrankungen und die Rehabilitation zu informieren.“
Harouna Garba, Organisationsteam Moschee Borgfelder Straße
Durch die Informationen in den Parks konnte ich vielen Leuten von unserem Projekt erzählen. Die Fragen wurden nicht nur von den Teilnehmern gestellt, sondern auch von Passanten, die die Sonne genossen.
Infostände
Ab dem Sommer 2022 habe ich auf Kultur-, Stadtteil und Sportfesten einen Stand mit unseren Materialien aufgebaut. An einem Tag während der gambischen Kulturtage fand einen ganzen Tag lang viele Fußballturniere statt. Hier konnte ich viele Eltern aber besonders Jugendliche ansprechen.
Einen anderen Infostand habe ich beim Kulturfest Fleetplatz Anfang September in Neuallermöhe gemacht. Hier leben sehr viele Menschen mit Migrationsgeschichte.
Meine Erfahrungen
Viele Menschen in den Communities sind jetzt so lange in Deutschland, dass sie hier Kinder bekommen haben. Diese Kinder fühlen sich als Deutsche und kennen oft die Herkunftsländer ihrer Eltern nicht. Die meisten Eltern haben ursprünglich gedacht, dass sie nur ein paar Jahre lang hier arbeiten und dann in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber die Rückkehr wird von Jahr zu Jahr verschoben und vielen wird langsam klar, dass eine Rückkehr ins Heimatland nicht mehr wahrscheinlich ist. Die Eltern machen sich langsam bewusst, dass die Zukunft ihrer Kinder in deutschland liegt.
In den Communities wird daher die Ausbildung der Kinder und deren Zukunftschancen für ein Leben in Deutschland zu einem neuen und sehr wichtigen Thema. Viele Eltern haben keine gute Schulbildung, sie arbeiten hart und haben oft mehrere Jobs, um zu überleben. Die Eltern haben wenig Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern; die Kinder laufen oft nur am Rande mit.
Ich habe mit meinen Infoveranstaltungen einen kritischen Punkt angesprochen und über die Botschaft „Eure Kinder müssen gesund sein, um gut lernen zu können und eine gute Zukunft zu haben.“ meine Teilnehmenden zum Nachdenken angeregt.
Mir ist klar geworden, dass die Menschen in den Communities generell viel zu wenig über Gesundheit wissen und Infos in ihren Muttersprachen brauchen. Meine Infoveranstaltungen fanden zum richtigen Zeitpunkt statt. Es wäre gut, wenn es Infomaterial in diversen afrikanischen Sprachen geben könnte.
Nouhou (Noah) Manneh, März 2023